Extrem harter Werkstoff

29.07.2020

Weder mit dem Winkelschneider noch mit einem Bohrwerkzeug lässt sich ein neues Material bearbeiten, das Wissenschaftler von der Durham University in Zusammenarbeit mit den Fraunhofer-Instituten IWU und WKI und weiteren Partnern entwickelt haben. Das Geheimnis sind kleine harte Keramikkugeln, die in einem elastischen Aluminiumschaum eingebettet sind. Wird eine Kraft auf den Werkstoff ausgeübt, kommt es zu Vibrationen, die auf das bearbeitende Werkzeug zurückwirken, schreiben die Forscher in den Nature Scientific Reports. Das Material sei wegen seiner porösen Struktur auch besonders leicht.

Man weiss nicht, welche Anwendung die Autoren dieser Studie im Kopf hatten, als sie die Versuche machten. Wenn sie die Proben des neuen Materials mittels Bohrmaschine oder Trennschleifer traktieren, denkt man unwillkürlich an Wände für Safes oder Ähnliches. Jedenfalls hat die Gruppe um Stefan Szyniszewski ein neues, metallisch-keramisches hierarchisches Kompositmaterial entwickelt, das sowohl hoch verformbar als auch extrem widerstandsfähig gegen dynamische Punktlasten ist.

Ein hierarchisches Verbundmaterial mit neuen Eigenschaften

Hierarchische Organisation, wie sie oft bei biologischen Materialien wie Knochen oder auch Holz auftritt, kombiniert Materialien auf der Nano-, Mikro- und Makroskala zu einer Struktur mit oftmals neuen Eigenschaften. Dieser strukturelle Aufbau hat zur Folge, dass ein zusätzlicher Effekt auftritt, der über die Wirkungen der einzelnen Bestandteile weit hinausgehen kann.

Die in dieser Studie beschriebene, bio-inspirierte Struktur kombiniert einen metallischen Schaum mit darin verteilten, relativ grossen Keramikkugeln. Sie ist weder mit einem Winkelschleifer noch mit einer Bohrmaschine schneidbar und hat dabei nur 15% der Dichte von Stahl. Die Architektur verdankt ihre extreme Beständigkeit gemäss den Autoren der lokalen Resonanz zwischen den eingebetteten Keramiken in der flexiblen zellulären Matrix. Dies erzeugt hochfrequente Schwingungen an der Grenzfläche zum eindringenden Werkzeug erzeugt.  Das Material war sogar gegen Wasserstrahlschnitt wirksam, weil die konvexe Geometrie der Keramikkugeln den Wasserstrahl verbreiterte und seine Geschwindigkeit und damit die Schnittwirkung um mehrere Größenordnungen reduzierte.

Solch ein Wechsel des Designparadigmas vom statischen Widerstand hin zu optimierten, dynamischen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Materialphasen in einem Verbundmaterial unter dynamischer Last könnte zukünftig die Entwicklung neuartiger, metamorpher Materialien inspirieren.

Originalpublikation:

S. Szyniszewski, R. Vogel, F. Bittner et al., Non-cuttable material created through local resonance and strain rate effects, Sci Rep10, 11539 (2020).

https://doi.org/10.1038/s41598-020-65976-0 (Open Access)