Die Kunststoffbranche trifft sich an der Ostschweizer Fachhochschule

12.09.2023

Das 18. Rapperswiler Kunststoffforum war auch in diesem Jahr ein Fixpunkt der Kunststoffbranche. 160 Vertreterinnen und Vertreter der kunststoffverarbeitenden Industrieaus der Schweiz und dem nahen Ausland nutzten die Gelegenheit, sich mit Expertinnen und Experten des IWK Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung an der OST auszutauschen. Im Fokus standen neue Technologien, aktuelle Trends und Innovationen aus den Bereichen der Werkstoffentwicklung, der Produktions- und Verarbeitungsmethoden, sowie der Qualitätssicherung. Neben Fachvorträgen und Themen aus der Branche standen auch wieder Laborpräsentationen mit eindrücklichen Beispielen aus aktuellen Projekten mit der Industrie im Fokus.

In diesem Jahr zeigte sich eindrücklich, wie innovationsfreudig die Kunststoffbranche ist und  aktuelle Themen wie Nachhaltigkeit durch Werkstoffrückführung oder den Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz in der Produktion als auch in der Qualitätssicherung aufgreift. Bei den Fachvorträgen in der Aula dominierten die beiden Themenfelder ebenso wie in den Laborpräsentation im Techpark in Rapperswil-Jona.

Laborpräsentationen mit Fachvorträgen

Nach den Fachvorträgen in der Aula der OST wechselten die Teilnehmenden im Bus zum zweiten Teil der Veranstaltung in den Techpark der OST, wo Werkstätten, der IWK-Maschinenpark und die Robotik-Labors des «Schwester-Instituts» ILT Institut für Laborautomation und Mechatronik seit 2022 ein neues, modernes Zuhause gefunden haben.

In den Labors wurden die neuesten Entwicklungen und Technologien der IWK-Fachbereiche Spritzgiessen/PUR, Compoundierung/Extrusion, Faserverbundtechnik/Leichtbau, Verbindungstechnik, Fertigungstechnik Metall sowie Simulation und Design vorgestellt. Zur Demonstration aktueller Projekte waren die verschiedenen Kunststoffverarbeitungsmaschinen live in Betrieb. In Form von Kurzvorträgen wurden ausgewählte Entwicklungen präsentiert.

Der Fachbereich Compoundierung/Extrusion griff das Thema Materialcharakterisierung mittels Nahinfrarot-Spektrometrie auf. Mit dem Verfahren werden nicht nur die Kunststofftypen, sondern auch Verunreinigungen und sogar rheologische Eigenschaften berührungslos ermittelt. Das Prüfverfahren wurde im Rahmen eines Innosuisse-Projektes mit der Firma Metrohm entwickelt. Auf der 5-Schicht-Blasfolienanlage wurden Folien aus 100 Prozent Rezyklat gezeigt und es wurde Ergebnisse eines Innosuisse-Projektes zusammen mit dem Partner Dimpora zur Entwicklung einer halogenfreien, atmungsaktiven und wasserdichten Membrane gezeigt.

Auf der Compoundieranlage wurden Möglichkeiten zur Geruchsreduzierung von Polyolefinen gezeigt und Musterbauteile ausgestellt – beim Geruchstest konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer abstimmen, welche Varianten am besten bzw. am geruchsneutralsten waren. Abgerundet wurden die Vorführungen mit einem robotergeführter Strangauftrag zur Herstellung eines biobaubaren Verbissschutzes für Bäume.

Im Fachbereich Spritzgiessen stand als zentrales Thema auch in diesem Jahr die Digitalisierung im Vordergrund. An einer Messzelle der Firma Kistler wurde vorgeführt, wie in einem automatisierten Prozess Qualitätsmerkmale von im Spritzgiessverfahren hergestellten Bauteile ermittelt werden können. Kombiniert mit den Prozessdaten ermöglicht diese Datenbasis ein Training von Modellen auf Basis künstlicher Intelligenz zur Vorhersage der Bauteilqualität bereits während der Produktion der Teile auf der Spritzgiessmaschine. Die Zuordnung der Qualitätsdaten zu jedem einzelnen Bauteil erfolgt heute üblicherweise über eine Markierung auf dem Bauteil. Hier wurde ein neuartiger Ansatz der Firma Polysecure vorgestellt, bei welchem durch Zugabe von fluoreszierenden Markerpartikel und durch Erkennung derer Verteilung im Bauteil eine eindeutige Identifizierung des jeweiligen Bauteils möglich wird.

Das zweite grosse Thema bei Spritzgussprodukten war wenig überraschend die Nachhaltigkeit, insbesondere die Möglichkeiten mit dem Material rPET zur Verwendung für technische Bauteile. Die Teilnehmenden konnten beispielsweise erfahren, wie durch das Hinterspritzen von unidirektionalen, endlosfaserverstärkten rPET-Tapes mit rPET auch hochsteife Bauteile aus nachhaltigen Materialien realisiert werden können. Ebenfalls vorgestellt wurde die Herstellung eines Schälprüfkörpers im 2K-Verfahren, bei welcher auch die Weichkomponente aus einem PCR-Material bestand und potentielle Anwendungen für nachhaltige Gehäuse mit Dichtfunktionen bietet.

Als Fortsetzung der Aulapräsentationen stellte der Fachbereich 3D-Druck / Additive Fertigung die neuesten Entwicklungen mittels verschiedener Laborexponate vor. Seit Anfang des Jahres wird die Gruppe von Daniel Omidvarkarjan geleitet. Einerseits wurde anhand von verschiedenen Fallbeispielen das Potenzial von automatisierter Konstruktion für die additive Fertigung demonstriert. Darüber hinaus wurde ein neuartiger 5-Achs-Filamentdrucker vorgestellt. Einblicke in die Entwicklung neuer Materialien für das selektive Lasersintern (SLS) rundeten den Rundgang durch den Fachbereich 3D-Druck / Additive Fertigung ab.

Neues aus dem Metallbereich

Innovation stand im Fachbereich Metall im Vordergrund. Die fortschreitende Technologie hat die Art und Weise, wie wir Werkzeuge herstellen und reparieren, revolutioniert. Eine der innovativsten Methoden, die in der modernen Fertigungsindustrie Anwendung findet, ist das Laser Metal Deposition (LMD). Diese Technik ermöglicht es, Spritzgiesswerkzeuge auf eine Weise zu reparieren, die in der Vergangenheit undenkbar gewesen wäre. Laser Metal Deposition ist ein Verfahren, bei dem ein Hochleistungslaser verwendet wird, um Metallpulver schichtweise auf das beschädigte Werkzeug aufzutragen. Der Laser schmilzt das Metallpulver, das dann sofort auf die Oberfläche des Werkzeugs aufgetragen wird. Dieser Prozess ermöglicht eine präzise und gezielte Reparatur von Schäden, ohne das gesamte Werkzeug ersetzen zu müssen.

Neben der Reparatur war auch die Herstellung von Werkzeugen ein zentrales Thema. Fused Filament Fabrication (FFF) hat die Herstellung von Werkzeugen mit komplexen internen Strukturen wie Kühlkanälen erheblich erleichtert. Mit dieser Technologie können Werkzeuge schichtweise aus Kunststoff oder Metall aufgebaut werden, wobei interne Hohlräume und Kanäle problemlos integriert werden können. Die Möglichkeit, Werkzeuge mit Kühlkanälen direkt aus dem 3D-Drucker herzustellen, bietet eine verbesserte Kühlleistung und erhöht die Produktionsgeschwindigkeit. Dies trägt dazu bei, die Lebensdauer der Werkzeuge zu verlängern und die Effizienz in der Spritzgiessfertigung erheblich zu steigern.

Die Oberflächenqualität von Spritzgiesswerkzeugen spielt dabei eine entscheidende Rolle für die Qualität der Endprodukte. Das Abrasiv-Wasserstrahlverfahren hat sich als äusserst effektive Methode zur Oberflächenbearbeitung von Werkzeugen etabliert. Bei diesem Verfahren wird ein Hochdruckwasserstrahl mit Abrasivmittel verwendet, um die Werkzeugoberfläche zu bearbeiten. Dies ermöglicht die Entfernung von Verunreinigungen, Rost, Graten und anderen Unregelmäßigkeiten, die die Produktqualität beeinträchtigen könnten. Das Abrasiv-Wasserstrahlverfahren ist schonend für das Werkzeugmaterial und ermöglicht präzise Oberflächenbearbeitung, um optimale Ergebnisse zu erzielen.

Ein Highlight aus dem Bereich Faserverbundtechnik/Leichtbau ist die neuartige Seilbahnwartungsplattform, bei der das IWK die Firma Colombo Seilbahnrevisionen unterstützt hat, eine noch leichtere und damit für fast alle Anlagen geeignete Version zu entwickeln. Dank konsequentem Leichtbau ist es erstmals möglich, die Rollenbatterien zerstörungsfrei zu prüfen ohne das Zugseil zu entfernen – eine enorme Zeit- und Kostenersparnis. Die Plattform wird dazu einfach am Seil befestigt und von Mast zu Mast bewegt, die Prüfung findet direkt dort statt.

Im kürzlich abgeschlossenen EUREKA-Projekt «purCONNECT» wurden Strukturbauteile basierend auf einer Faserverstärkung und Polyurethan als Matrix entwickelt. Dank der sehr effizienten Verarbeitung der hochreaktiven PU-Systeme und deren vergleichsweise niedrigen Kosten resultieren Bauteile, die für verschiedene Anwendungen geeignet sind. Zusammen mit 3A Composites Core Materials wurden PET-PU Sandwichbauteile entwickelt, welche insbesondere durch ihre extrem kurzen Zykluszeiten im RTM-Prozess bestechen.  

Verbindungstechnik: Schweissen und Kleben

Der Fachbereich Verbindungstechnik präsentierte die letzten Innovationen in den Bereichen Klebe- und Schweisstechnik, und wie Sie zentrale Themen wie Recycling und CO2-Reduktion in der Zukunft weiterbringen können.   

In zwei Laborvorträgen zeigte der Fachbereich die experimentellen Grundlagen der Klebetechnik, sowie einen wertvollen Beitrag zu demontierbaren Klebeverbindung für die Windenergie. Der erste Vortrag zeigte, was die Herausforderungen der Klebetechnik für unerfahrene Anwender sind, und wie sie beherrscht werden können, um eine dauerhafte Klebeverbindung mit einwandfreien Adhäsionseigenschaften zu erreichen.
Im zweiten Vortrag erfuhren die Teilnehmenden, wie eine Klebeverbindung auf Windkraftanlagen montiert und demontiert werden kann, um MEMs-basierte IoT Messsysteme (zur Überwachung von Oberflächendruck und Akustisch) reversibel zu installieren.

Im Labor wurden verschiedene Verfahren u.a. Laserschweissen, Ultraschallschweissen, Induktionsschweissen, Schweissen mittels Heizelemente und Reibrührschweissen anhand von Projektbeispielen erläutert. Unter anderem wurde im Prüflabor eine Prüfvorrichtung zur Auswertung des mechanischen Verhaltens von verklebten Sandwich-Bauteilen bei hoch und tief-Temperatur aufgestellt. Dies unterstützt die Entwicklung von neuartigen, verklebten Lösungen für den Bereich Elektromobilität, bei welchem das Temperaturmanagement ein zentrales Thema ist.

Der Fachbereich Simulation und Design präsentierte konkrete Anwendungen zur Erweiterung von Simulationsprogrammen hinsichtlich benutzerdefinierter Ergebnisse. So konnte die kürzlich von der VDI veröffentlichte Richtlinie für die Auslegung von Kunststoffbauteilen (VDI 2016) in die Simulationsumgebung von Ansys Workbench implementiert werden. Dies ermöglicht den Berechnungsingenieuren zukünftig eine kunststoffgerechtere Bauteilauslegung und eine vereinfachte Visualisierung kritischer Bereiche. Neben dem wurde ein neuer Ansatz zur physikbasierten Prozessüberwachung vorgestellt, welcher es ermöglicht, mit minimalem experimentellem Aufwand die Formteilentstehungsgeschichte beim Spritzgiessen zu «simulieren» und daraus Qualitätsaussagen abzuleiten. Drittes Thema aus dem Fachbereich Simulation und Design stellte das OPTx dar, welche das PLM beim Spritzgiessen auf digitaler Basis ermöglicht und um einige Funktionen erweitert wurde.

Quelle: Medienmitteilung OST vom 8. September 2023