Clevere Evakuierungsbox für Säuglinge

Aargauer Jungunternehmen NeoRescue schliesst mit seiner «Lifebox» eine Marktlücke

Die NeoRescue GmbH aus Unterentfelden verzeichnet erste Erfolge mit ihrer «Lifebox» zur schnellen und sicheren Rettung von Säuglingen in Notfällen. Das Hightech Zentrum Aargau (HTZ) war an der Entwicklung dieser Weltpremiere mitbeteiligt.

Ein Küchenbrand auf der Neonatologie-Station (Frühgeborenen-Abteilung) eines grösseren Schweizer Spitals war die Initialzündung für die Entwicklung der innovativen «Lifebox». Eine Analyse jenes – glimpflich abgelaufenen – Brandfalls und eine nachfolgende Ernstfallübung offenbarten eine potenziell lebensgefährliche Lücke: Säuglinge reagieren wesentlich schneller und stärker auf Rauch und Temperaturschwankungen. Ohne ein spezielles Evakuierungsgerät können sie in Notfällen kaum gerettet werden. Zum einen sind Atemschutzmasken sowie die sogenannten Fluchthauben für den Transport von Babys keine Option. Zum anderen würde eine Evakuierung im Inkubator und allenfalls noch über Treppen am hohen Gewicht des Transport-Inkubators von gegen 150 Kilogramm scheitern.

Recherchen zeigten eine Marktlücke

Nach jenem Vorfall machten sich fünf Angehörige der involvierten Spital-Betriebsfeuerwehr intern sowie bei anderen Feuerwehren und Spitälern auf die Suche nach geeignetem Rettungsmaterial – jedoch ohne Erfolg. Daher entschlossen sie sich, in ihrer Freizeit die gesuchte Produktelösung in der benötigten Qualität selber zu entwickeln. Um das ambitiöse Projekt zu professionalisieren, gründete die Gruppe Ende 2018 die NeoRescue GmbH in Unterentfelden. «In enger Zusammenarbeit mit Ärzten und Pflegefachkräften sowie mit der Unterstützung des Hightech Zentrums Aargau entwickelten wir unsere multifunktionale Lifebox für die sichere Rettung von Säuglingen und Frühgeborenen», resümiert CEO David Selinger, früherer Vizekommandant der betreffenden Betriebsfeuerwehr.

Unterstützung durch das HTZ

Das Hightech Zentrum Aargau (HTZ) initiierte 2019 eine Machbarkeitsstudie zur Förderung des Innovationsvorhabens der NeoRescue. Im Rahmen dieser Studie brachten Spezialisten des Hightech-Forschungs-Zentrums der Universität Basel spezifisches Know-how zur Entwicklung des Belüftungssystems für die Lifebox ein. HTZ-Technologie- und Innovationsexperte Leendert den Haan beriet und coachte die Jungunternehmer der NeoRescue zusätzlich in Fragen wie der Produktzulassung sowie des Marketings und Vertriebs. Im Frühjahr 2020 wurde die sich abzeichnende Erfolgsstory abrupt von der Corona-Pandemie gebremst: Produktpräsentationen in Spitälern waren in der Folge lange nicht mehr möglich. Auch wurden Fachmessen für Rettungs- und Sicherheitsmaterial im In- und Ausland auf Monate hinaus abgesagt.

David Selinger, CEO und Mitgründer NeoRescue GmbH, Unterentfelden

«Der Experte des Hightech Zentrums Aargau war in verschiedenen Bereichen für uns auch ein Coach. Er hat uns immer wieder mit wertvollen Inputs unterstützt.» www.htz.ch/556

Die Markteinführung gelingt

Aber das Team der NeoRescue liess sich von diesem nicht selber verschuldeten Rückschlag nicht beirren. Das Marketing musste neu ausgerichtet werden, und die Arbeit am Prototypen wurde fortgesetzt. Bis im Herbst 2021 konnten die erforderlichen Produktverifizierungen – Prüfungen auf der Basis von definierten Normen – vorgenommen und alle Tests erfolgreich abgeschlossen werden. Die erste Lifebox wurde Ende 2021 an die Stützpunktfeuerwehr der Stadt Aarau geliefert. NeoRescue registriert wachsendes Interesse von potenziellen Käufern im DACH-Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) und weit über Europa hinaus. Bei der Vermarktung stehen Feuerwehrcorps und Kindertagesstätten sowie Spitäler im Vordergrund. Seit 2022 wird der Ausbau des Verkaufsnetzes vorangetrieben. Zur Finanzierung des angestrebten Wachstums und der internationalen Expansion sucht NeoRescue weitere Investoren, welche an einer strategischen Partnerschaft interessiert sind.

Erste Innovationspreise gewonnen

Die Lifebox wird heute in Serie produziert. Sie ist «Swiss Made» und die Mehrzahl der Komponenten stammt von Aargauer Zulieferern. Die Box ist feuer- und schlagfest sowie rauchbeständig. Sie bietet einen Wasserschutz und die Versorgung mit Atemluft ist über eine halbe Stunde lang gewährleistet. Aktuell wird die Lifebox in drei Varianten angeboten, darunter eine Box für zwei Säuglinge sowie ein Modell, das zusätzlichen Platz bietet für die Mitnahme von lebenswichtigen Überwachungsmonitoren. Das clevere Schweizer Rettungstool wurde bereits zweimal ausgezeichnet: 2019 erhielt NeoRescue den Milizpreis der Versicherungsgesellschaft Swiss Re. 2022 konnte CEO David Selinger vom Schweizerischen Verein von Brandschutz- und Sicherheitsfachleuten den Anerkennungspreis für Sicherheitsprodukte entgegennehmen.

PD Dr. med. dent. Stefan Stübinger, Hightech-Forschungszentrum für Cranio-Maxillofacial Chirurgie der Universität Basel, NeoRescue GmbH

«Die Kooperation mit den interdisziplinären Partnern aus Hochschule und Industrie hat es uns erlaubt, die Vision einer innovativen und medizinisch überaus wichtigen Entwicklung zielführend mitzugestalten. Auf diese Weise konnten neben der eigentlichen Projektidee neue Netzwerke für die Zukunft aufgebaut werden.» «Die reale Erfahrung, die das Team um NeoRescue in einer Notfallsituation im Spital erlebt hat, hat die Wichtigkeit und vor allem die Notwendigkeit einer solchen Innovation von Anfang an klar demonstriert. Daraus ergab sich sicherlich die Herausforderung, allen Ansprüchen effizient, nachhaltig und schnell nachkommen zu können, um zeitnah im Alltag eine Lösung für das Rettungspersonal sowie die kleinen Patienten anbieten zu können.» «Der menschliche und professionelle Teamspirit des HTZ, der durch eine exzellente Infrastruktur, Kommunikation und das Verständnis für medizinisch-technische Probleme und Lösungen ergänzt wurde, war von Anfang an ein verbindender und massgebender Faktor, dass das Projekt in so kurzer Zeit zu einer erfolgreichen Produktentwicklung führen konnte.» www.htz.ch/556

Statement des HTZ-Experten

HTZ-Experte Leendert den Haan weist auf eine Besonderheit im Fall NeoRescue hin: Spin-offs aus öffentlichen Dienstleistungseinrichtungen – in diesem Fall ein Kantonsspital – seien eher selten. Aber das Potenzial sei riesig. In der Betriebspraxis würden Versorgungslücken am ehesten sichtbar, sei es aufgrund fehlender Produkte oder mangels unterstützender Software-Tools. Leendert den Haan ergänzt: «Hierzu braucht es den für Unternehmer typischen Mut zum Risiko sowie die Unterstützung von Organisationen, die auf Innovation ausgerichtet sind – wie das Hightech Zentrum Aargau. Dank schneller und unkomplizierter Vermittlung von fachkompetenten Projektpartnern und dem Zugang zu Fördermitteln können gute Ideen rasch umgesetzt werden.»

 

Weitere Infos:
www.neorescue.swiss

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