nano.swiss-Newsletter 4/2019

11.12.2019

Jenseits des Siliziums

Liebe Leserin, lieber Leser

Die Meldung sorgte weltweit für Schlagzeilen: Ein Quantencomputer von Google löst eine Rechenaufgabe, die jeden konventionellen Computer überfordert. Google-CEO Sundar Pichai verglich den Durchbruch mit dem ersten motorisierten Flug der Gebrüder Wright am 17. Dezember 1903.
Ganze 12 Sekunden hatte der Pionierflug damals gedauert. Ein 12-stündiger Interkontinentalflug war damals genauso weit weg wie heute eine stabile und kostengünstige Datenverarbeitung ohne den klassischen Siliziumhalbleiter. Doch die Arbeiten an elektronischen Bauteilen im Nanometerbereich laufen auf Hochtouren; auch in der Schweiz.

So erforschen Physiker der Universität Basel neuartige Isolatoren mit der Fähigkeit, an der Oberfläche elektrischen Strom zu leiten. Experimente zeigen, dass diese «topologischen Isolatoren» bei elektronischer Reibung viel weniger Wärme erzeugen als herkömmliche Werkstoffe.

Andere Teams widmen sich dem Qubit, der kleinsten Informationseinheit eines Quantencomputers. Forscher der Universitäten Basel, Oxford und Lancaster haben selbstlernende Algorithmen zur Charakterisierung grosser Anordnungen von Quantensystemen geschrieben.

Mit der Vernetzung von Rechnern befasst sich das ETH-Spinoff Polariton. CEO Claudia Hössbacher und ihr Team schrumpfen elektro-optische Modulatoren auf Nano-Massstab und haben dafür 150'000 Franken Startkapital erhalten.

Ebenfalls an der ETH Zürich arbeiten die beiden Forschungsgruppen, die Ende November mit dem Gordon Bell Prize für Supercomputing ausgezeichnet wurden; und zwar für eine Methode, die elektronische Nanobauteile und deren Eigenschaften simuliert.

Alle diese Beispiele zeigen: Die Zukunft der Elektronik liegt weit jenseits des Mikrometers. Offen ist nur, wann die Quanten- und Nanocomputer unseren Alltag erreichen.

Apropos Alltag: 87'000 Schweizerinnen und Schweizer leiden unter nächtlichem Schienenlärm. Am Swiss Tribology Technical Meeting 2019 war zu hören, wie die Nano- und Werkstofftechnik Abhilfe bei diesem und zahlreichen weiteren praktischen Problemen schaffen kann. 60 Experten aus der ganzen Schweiz ‒ unter ihnen auch ein Vertreter der SBB ‒ hörten sich Vorträge zu den Themen Reibung, Schmierung und Verschleiss an.

An der Schnittstelle von Forschung und Industrie sind auch die Praxiszirkel des Hightech Zentrums Aargau (HTZ) angesiedelt. Der «Praxiszirkel Functional Coatings» fand am 13. November bei der Zofinger Norbert Schläfli AG statt, der «Praxiszirkel Life Sciences» am 26. November im Swiss Nanoscience Institute in Basel und der «Praxiszirkel Additive Fertigung» am 2. Dezember im badischen Lörrach.

Bleiben wir beim HTZ: Seit Anfang Dezember bietet das nationale Technologietransferzentrum ANAXAM der Schweizer Wirtschaft einen Zugang zu Materialanalytik auf Weltniveau. Das HTZ stellt für interessierte KMU den Kontakt her und bietet Projektunterstützung.

Zu guter Letzt der Hinweis auf unsere Veranstaltungsreihe «Nano & Industrie 2020». Der nächste Anlass unter dem Titel «Nano & Industrie 2020: Anwendungen in der Werkzeugtechnik» findet am 27. Februar statt – als Partner ist Swissmem mit an Bord. Experten aus Industrie und Forschung diskutieren aktuelle Trends rund um den Einsatz von neuen und ultraharten Materialien im Advanced Manufacturing. Die kostenlose Registrierung ist offen.

Ich wünsche Ihnen mit diesen schönen Bildern frohe Weihnachten und ein erfolgreiches neues Jahr!

Marcus Morstein
Programmleiter Nano- und Werkstofftechnologien
Hightech Zentrum Aargau