Komplexe Moleküle auf Oberflächen
09.09.2019Sebastian Scherb wird bei der ersten Masterfeier der Nanowissenschaften im Herbst für die beste Masterarbeit aus dem Jahr 2018 ausgezeichnet. Er hat im Team von Professor Ernst Meyer an der Universität Basel eine neue Methode untersucht, mit der einzelne komplexe Moleküle auf Oberflächen aufgebracht werden können.
Methode für grosse Moleküle gesucht
Durch die Selbstorganisation von Molekülen auf Oberflächen lassen sich mit atomarer Präzision funktionale Oberflächen herstellen, die in zahlreichen Gebieten wie der Elektronik eingesetzt werden können. Für kleinere Moleküle ist das thermische Verdampfen eine etablierte Methode, um atomare Schichten auf Oberflächen wie Gold oder Kaliumbromid herzustellen. Komplexe, grosse Moleküle überstehen jedoch das dabei notwendige Erhitzen bis zum Siedepunkt im Allgemeinen nicht.
Sebastian Scherb hat in der prämierten Masterarbeit nun untersucht, ob sich die Elektrospray-Deposition als alternative Methode eignet. Dabei werden die Moleküle durch Übertragung von Ladungen auf eine sanfte Art und Weise von der flüssigen in die Gasphase gebracht. Durch ein differenzielles Pumpensystem werden dann einzelne Moleküle auf die Oberfläche im Ultrahochvakuum gesprayt, wo sie sich selbst zu molekularen Schichten anordnen.
Graphenähnliche Verbindungen im Fokus
Zwei graphenähnliche Verbindungen standen dabei im Fokus, da diese aufgrund ihrer besonderen elektronischen Eigenschaften einen breiten Anwendungsbereich versprechen. Bei Graphylen-1 handelt es sich um ein hexagonales Molekül mit äusseren Alkanketten, das wie ein Wagenrad aussieht. In dieses Rad könnten später funktionale Gruppen integriert werden, die dem Molekül spezifische Eigenschaften verleihen. Zum anderen untersuchte Sebastian bis zu 600 Nanometer lange Bänder aus Graphen (Graphen-Nanobänder).
«Für mich war es enorm spannend zu untersuchen, wie sich diese komplexen Moleküle auf verschiedenen Oberflächen verhalten», berichtet Sebastian von dem Teil der Arbeit, der ihn am meisten fasziniert hat. Er untersuchte Graphylen-1 dabei nicht nur bei Raumtemperatur auf Gold- und Kaliumbromidoberflächen mit einem kontaktfreien Rasterkraftmikroskop, sondern bereitete diese auch für rasterkraft- und rastertunnelmikroskopische Untersuchungen bei niedrigen Temperaturen (5° Kelvin) vor.
Unerwartete Ergebnisse
Der Vergleich der Bilder zeigte einen interessanten, nicht erwarteten Nebeneffekt: Bei niedrigen Temperaturen lagen die einzelnen Graphylen-Moleküle viel enger beieinander als bei Raumtemperatur. Simulationen, die auf die Masterarbeit folgten, legen nahe, dass die Moleküle bei höheren Temperaturen durch erhöhte Mobilität ihrer Seitenketten auseinandergedrückt werden. Die recht schwachen van der Waals-Kräfte, die für den Zusammenhalt der molekularen Schicht verantwortlich sind, lassen diese unterschiedliche Variationen in Abhängigkeit von der Temperatur zu.
Professor Ernst Meyer, in dessen Gruppe Sebastian die Arbeit durchführte, war sehr angetan von den Resultaten: «Sebastian ist es gelungen mittels der Elektrospray-Methode grosse Moleküle, welche die Form eines Wagenrades haben, unter Ultrahochvakuumbedingungen zu präparieren. Er konnte diese Moleküle mittels hochaufgelöster Rasterkraftmikroskopie abbilden und hat interessanterweise einen aussergewöhnlich hohen Temperaturausdehnungskoeffizient für diese Materialien entdeckt.»
Für Sebastian waren diese Arbeiten so spannend, dass er nach Abschluss des Masters im Team von Ernst Meyer blieb und jetzt dort seine Doktorarbeit schreiben wird. «Ich habe wirklich grossen Spass an diesen Messungen. Zudem ist die Zusammenarbeit und die Stimmung in der Gruppe sehr gut», erzählt er im Interview.
Zunächst für Chemie interessiert
Vor sieben Jahren, als Sebastian kurz vor seinem Abitur zum Infotag an die Universität Basel kam, hätte er nicht gedacht, dass er jetzt oft seine Arbeitstage im Keller des Departement Physik verbringt, um Moleküle auf Oberflächen zu untersuchen und sich dafür begeistert. «Eigentlich wollte ich Chemie studieren», erinnert er sich. «Aber dann hat mir die Vorstellung des Nanostudiums beim Infotag so gut gefallen, dass ich mich dafür entschieden habe.»
Bereut hat Sebastian dies nicht, obwohl es auch schwierige Phasen im Studium gab. Als Schüler in einem altsprachlichen Gymnasium in Lörrach, hatte er Biologie recht früh abgewählt und daher im Studium einiges nachzuholen. «Manchmal muss man durch solche Phasen einfach durch. Aber es hat sich gelohnt, denn jetzt kann ich immer wieder auf die vielen verschiedenen Bereiche zurückgreifen, in die ich im Studium einen Einblick gewonnen habe.»
Vor allem in den Blockkursen hat Sebastian mehrere unterschiedliche Themengebiete und Arbeitsgruppen aus dem SNI-Netzwerk kennengelernt. Kalte Atome und die Arbeit mit dem AFM haben ihn dabei besonders angesprochen, sodass er auch seine beiden Projektarbeiten zu diesen Themen geschrieben hat. Die praktische Anwendung des AFM faszinierte ihn dann jedoch noch mehr als die kalten Atome, sodass diese exzellente Masterarbeit entstehen konnte.
Wir gratulieren ganz herzlich zu dem Preis und sind gespannt auf weitere tolle Bilder von komplexen Molekülen auf Oberflächen.
Neuigkeiten aus der Gruppe von Prof. Ernst Meyer, bei dem Sebastian seine Masterarbeit absolviert hat und bei dem er jetzt auch promoviert, gibt es unter: Webseite des Meyer-Teams − Nanolino
Organisation
Swiss Nanoscience Institute SNI