Einzelförderung ist Geschichte
17.03.2022Vier Forschende der ETH Zürich haben einen Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) bekommen. Da die Schweiz nicht mehr voll assoziiert ist, erhalten diese die rund acht Millionen Franken an Forschungsförderung vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI).
Wenn exzellente Forschende weiterkommen möchten, ist es entscheidend, dass sie ihre Forschungsgruppe konsolidieren und damit ihre Stellung in der Grundlagenforschung festigen können. Genau hier setzt der Consolidator Grant an: Rund zwei Millionen Schweizer Franken stehen all jenen Forschenden zur Verfügung, die einen solchen begehrten Grant zugesprochen bekommen. Nur, die vier Forschenden der ETH Zürich, denen dies bei der letzten Ausschreibung gelungen ist, werden die Grants nicht antreten können – wie bereits zuvor bei den Starting Grants (Medienmitteilung vom 10.01.22) müssten sie dafür die Schweiz verlassen.
«Wir stehen wieder vor der Situation, dass die Projekte der ETH-Forschenden zwar zu den besten in Europa gehören, aber die Forschenden trotzdem auf die renommierten Grants verzichten müssen», sagt Detlef Günther, Vizepräsident für Forschung an der ETH Zürich. Dies schmerze besonders, weil auch in dieser ERC-Runde die Forschenden der ETH Zürich sehr erfolgreich waren. Von den zwölf eingereichten Projekten kamen 50 Prozent in die letzte Runde, letztlich wurden vier ausgewählt, was einer Erfolgsquote von 33 Prozent entspricht. Einen weiteren Consolidator Grant konnte ein ETH-Forscher mit Doppelprofessur über die Universität Basel einwerben.
In Zukunft nicht mehr möglich
Und die Situation spitzt sich noch zu, denn in Zukunft sind Forschende in der Schweiz komplett von der Einzelförderung des ERC ausgeschlossen. Das betrifft die ERC Starting, Consolidator, Advanced und Proof of Concept Grants und auch den EIC Accelerator, mit dem Jungunternehmen gefördert werden. «Neu braucht es in jedem Fall für Eingaben bei Horizon Europe mindestens drei wissenschaftliche Partner aus der EU oder einem assoziierten Land. Alleine geht leider gar nichts», erklärt Detlef Günther.
Die Projekte im Überblick
Filippo Coletti, Professor für experimentelle Fluiddynamik, erforscht das Verhalten von Flüssigkeiten und Gasen sowie von Partikeln, die darin schweben. In seinem Projekt wird er untersuchen, wie sich solche Partikel in turbulenten Strömungen verhalten und wie dabei die Partikel mit der Flüssigkeit und dem Gas wechselwirken. Er wird dabei Experimente im Labor und im Freien durchführen und diese mit bildgebenden Verfahren, unter anderem mit mehreren Hochgeschwindigkeitskameras sowie mittels biomedizinischer Bildgebung, analysieren. Mit seiner Forschung möchte Coletti auch die Vorhersage des Verhaltens von Partikeln in turbulenten Strömungen verbessern, und zwar sowohl im Kleinen – zum Beispiel in einem Motor – als auch im Grossen – zum Beispiel in der Atmosphäre bei der Bildung von Schnee.
Otmar Hilliges, Professor für Informatik, entwickelt Methoden, dank denen Computer visuelle Informationen wahrnehmen können (Computer Vision). Sein Projekt hat zum Ziel, menschliche Bewegungen und Tätigkeiten präziser zu erkennen und in hochaufgelöste digitale 3D-Information umzuwandeln. Er wird dazu ein neues 3D-Modell des Menschen entwickeln, das als Basis dienen wird für neue Methoden der künstlichen Intelligenz. Damit sollen die Bewegungen von Menschen und die Wechselwirkung von Menschen mit der Umgebung sowie untereinander genauer erfasst und interpretiert werden können. Eingesetzt werden könnte dies dereinst zum Beispiel bei Pflegerobotern, im Bereich Augmented Reality und Virtual Reality sowie zur Bewegungsanalyse in den Sportwissenschaften und bei Sportübertragungen.
Stefanie Jonas ist Professorin am Institut für Molekularbiologie und Biophysik. Sie erforscht, wie menschliche Zellen kontrollieren und regulieren, welcher Teil ihrer genetischen Information zur Herstellung von RNA und letztlich von Proteinen abgelesen wird. In ihrem Projekt wird sie untersuchen, wie dieser Ablesevorgang auf dynamische Weise gestoppt wird – zum Beispiel als Reaktion auf Veränderungen in der Umgebung der Zellen. Die Ursache von vielen Krankheiten, etwa von Krebs, liegt in einer Fehlregulation dieses Ablesevorgangs. Die Erforschung seiner molekularen Mechanismen könnte daher die Basis legen für neue therapeutische Ansätze.
Martin Vechev, Professor am Departement Informatik, entwickelt Methoden, dank denen Computersysteme zuverlässiger, belastbarer und sicherer werden. In seinem Projekt widmet er sich Systemen des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz. Durch die Entwicklung neuer Technologien will er zu einer nächsten Generation von Deep-Learning-Systemen beitragen, der Menschen mehr vertrauen und sich auf sie verlassen können. Ein zentraler Ansatz ist dabei, dass die dahinterliegenden Algorithmen mathematisch zertifizierbar sind in Bezug auf Sicherheit, Fairness und Belastbarkeit.
Projekt, das mit der Universität Basel eingegeben wurde
Zu therapeutischen oder diagnostischen Zwecken werden bestimmte Nanopartikel an Körperzellen geheftet, zum Beispiel an Krebszellen. Heute werden dazu in der Regel Antikörper benutzt, die mit den Nanopartikeln verbunden sind, und die die Wechselwirkung mit den Zellen herstellen. Scherkräfte können diese Verbindung allerdings lösen. Michael Nash, Professor am Departement für Biosysteme der ETH Zürich in Basel und an der Universität Basel, ist im Bereich Molekular-Engineering tätig. Er entwickelt künstliche Proteine und erforscht deren Funktion. In seinem Projekt wird er künstliche Proteine herstellen, welche für die Verbindung von Nanopartikeln und Körperzellen verwendet werden können und den Scherkräften widerstehen. Diese sollen neue Formulierungen von Medikamenten auf Nanopartikel-Basis ermöglichen.
Organisation
ETH Zürich